09 Jul Chilis im Feigenmantel

Aufblende. Die Sonne geht auf, wir sehen Kondensstreifen von Flugzeugen über den Feldern einer Vorstadt von Köln. Ein Bahnsteig, der wenig besucht wird. Ein Mann ist zu sehen. Anfang 30. Spielt nervös mit den Händen. Das ist Heiko.

Wer mag schon von sich selbst erzählen?

Wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll … Im Leben kommt manchmal der Moment, in dem du stagnierst, fragst dich: War’s das schon, ist es das Leben, was ich mir vorgestellt habe? Diesen Moment hatte ich vor circa 2 Jahren. Die Antwort war Nein. Handwerker aus Leidenschaft. Mehr leiden als was zu schaffen. Das Leben im Dienst vom sicheren Geld, mit Händen hart verdient, die eigentlich schreiben wollen. Die das aufschreiben wollen, was eigentlich in meinem Kopf vorgeht. Sorgen und Konflikte überall, ständig lauert die Gefahr, wo keine ist. Der größte Feind bin ich wohl selber … Dachte, ich wäre zu alt, um noch Drehbuch zu studieren. Die meisten haben mir davon abgeraten. Brotlose Kunst. Ein imaginäres Brot würde mir schon reichen.

Heute hab ich den ersten Tag bei GRAFF.FF. Das erste Mal Arbeiten im kreativen Bereich, habe Angst, nicht aufgeschlossen genug zu sein für diesen Job. Sehe den Blogeintrag von einer Praktikantin, die über ihr Leben schreibt. Denke nicht, dass ich das könnte. Feuershows und Filmtouren habe ich in meinem Leben nicht, und wenn, dann würde ich es wahrscheinlich nicht erzählen. Denke immer, dass mein Kram es nicht wert ist, erwähnt zu werden. Bin meist im Hintergrund, lasse die anderen vor. Unterstütze so gut ich kann. Irgendwo schlummert der Extrovertierte in mir. Kommt selten hinaus. Hoffentlich ist die Praktikantin nett.

Das kalte Wasser und keine Chilis im Feigenmantel

Die Bahn fährt ein. Menschen ziehen ihre Schutzmasken an. Heiko betritt die Bahn, während er nachdenklich in die Leere schaut. Wir sehen Luftaufnahmen der Bahn, die durch Felder fährt. Köln im Hintergrund. Zeit vergeht und wir sehen Heikos Hand die Klingel von GRAFF.FF betätigen. Die Tür wird von der Ferne geöffnet. Heiko geht durch den Hausflur. Eine Frau sitzt schon im Schnittraum. Begrüßt Heiko herzlich. Das ist Charlotte, Spitzname Charlie, Praktikantin bei GRAFF.FF. Anfang 20, schwarzes lockiges Haar, quirlige Art. Verschiedene Szenen, wie Charlie Heiko in die täglichen Aufgaben in der Filmproduktion einführt.

Als ich Charlie das erste Mal sah, war ich beruhigt, diese Frau wirkte sofort sympathisch. Als könnte sie nichts aus der Fassung bringen.“ Wir sehen Norleon Graff, Anfang 60, Chef von GRAFF.FF. Trägt ein schwarzes Hemd. „Ihr macht dann einen Film über das Archivieren.“ Heiko bekommt einen nachdenklichen Blick … „Zwei Tage und ich muss schon vor die Kamera. Fühle mich nicht so fotogen. Würde aber gerne mal Schauspielern. Nicht ich selbst sein. Figuren erschaffen, die es noch nicht gibt„. Charlie stubst Heiko an und ermutigt ihn ganz selbstverständlich, die Dreharbeiten zu machen. Wir sehen einen Zusammenschnitt von Szenen, die den Spaß beim Dreh zeigen. Zeit vergeht, Norleon und die beiden Praktikanten sitzen vor dem Rechner. Norleon sagt: „Ja, super, könnt ihr so abschicken! “ und geht aus dem Büro.

Ein Kommen und Gehen mit Chilis im Feigenmantel

Der Garten von GRAFF.FF in Zeitraffer, verschiedene Wetterzustände. Regen. Knallende Sonne. Starke Winde. Heiko sitzt an einem Computer und tippt in den Bildschirm. „Bin sehr froh, dass mich Charlie so gut an die Hand genommen hat – ich glaube, der Film wäre sonst niemals etwas geworden. Jetzt kann sie mir da nicht mehr unter die Arme greifen, genauso wie beim Blog. Der Blog war immer ihr Ding. Hatte immer Angst davor. Möchte nicht gerne über mich schreiben. Hoffentlich ist das kein Nachteil als Drehbuchautor.

Seit Charlie von uns gegangen ist, muss ich den Blog auch mal schreiben. Was würde sie jetzt zu mir sagen? Welche Tipps geben? Sie kann es nicht einmal mehr probelesen, bevor ich es abschicke und Verbesserungen mit folgender Formulierung beginnen: „Meinst du nicht, dass du lieber …?“. Sie ist jetzt an einem besseren Ort, nämlich Hamburg. Da, wo sie zuhause ist und voll aufgeht. Ich muss jetzt alleine klarkommen. Sage noch einmal in Gedanken lebe wohl.“

Eine Frau kommt zu Heiko an den Computer und liest den getippten Text. Das ist Ronja, Anfang 20. Neue Praktikantin bei GRAFF.FF. Dunkelblonde Haare mit einem Schuss Rot. Ebenfalls sympathisch. Quirlig. Am Ende des Textes schaut sie Heiko grinsend und enttäuscht an. „Ernsthaft Heiko, alleine klarkommen? “ Beide lachen. Es sind Chilis im Feigenmantel zu sehen. Abblende.

Ronja am Zug

So! An diesem Punkt im Blogeintrag hat der Drehbuchauszug auch wieder Gegenwart eingeholt – denn ich, Ronja, sitze gerade tatsächlich an der Tastatur, nachdem ich mir gerade Heikos Text durchgelesen habe. Keine Ahnung, was es mit diesen Chilis im Feigenmantel auf sich hat. Und übrigens: Meine Haare haben sowas von keinen Rotstich – aber das versuche ich Heiko schon seit Tag 1 zu erklären. Naja. Heiko hatte sich auf jeden Fall überlegt, seinen ersten Blogeintrag ein wenig anders zu gestalten und sich selbst mit einem kleinen Drehbuchausschnitt vorzustellen. Wir hoffen, die Abwechslung hat euch gefallen.

Heiko und ich jedenfalls stellen das neue Praktikanten-Team bei GRAFF.FF in der Filmproduktion, nachdem Charlie, unsere Praktikantin der Herzen, uns schweren Herzens wieder verlassen musste. Jetzt habt ihr uns beide kennengelernt – zumindest ein bisschen. Und das war ja auch nur der Anfang.

Übrigens, wenn ihr Lust auf weitere Geschichten bekommen habt, könnte sich ein Blick in unsere aktuellen Filme des Monats lohnen: Von einer Liebesgeschichte in hohen Lüften, über Karnevalspartys und Skifahrten, bis hin zu einer tödlich endenden List (… seid gespannt!) ist alles dabei!