01 Jul Wie mich das jecke Jeföhl zum Film brachte

Ich bin Ronja und ganz frisch hier bei GRAFF.FF in der Filmproduktion eingetroffen. Noch ist alles ziemlich neu, aber mit Charlie hab ich schon eine Bezugsperson, die so ganz nach meinem Geschmack ist. Da ich sie in zwei Wochen ersetzen soll, ist klar, dass sie alles, was sie schon kann, an mich weitergeben muss. Ansonsten bekommt sie wohl Schimpfe von Norleon. Moment? Wie soll das funktionieren? Sie bekommt Schimpfe, wenn sie nicht mehr da ist? Das wird nicht hinhauen. Die Schimpfe werde ich abbekommen, denn ich bin dann noch da. Ja moin! Okay, also brauche ich wohl einen Plan B, und der lautet: mich selbst darum kümmern, dass mir alles beigebracht wird.

Lernfähig bin ich. Norleon hat behauptet, dass ich mit Charlie zusammen der größte Streber bin, der ihm jemals untergekommen ist. Aber das stimmt nicht. Gute Noten habe ich einfach, weil ich eine einigermaßen gesunde Auffassungsgabe habe. Ansonsten zeichnet mich eher aus, dass ich ich die Sachen, die ich tue, auch liebe. Den Karneval zum Beispiel.

Jeckes Sauerland

Auch wenn ich im Herzen Sauerländerin bin, bin ich trotzdem ein echt kölsches Funkemariechen in einer Prinzengarde! Eigentlich ist meine Heimatstadt, Attendorn, sogar berühmt-berüchtigt als das „kleine Kölle“, denn KARNEVAL wird dort definitiv groß geschrieben.

Tatsächlich waren meine Mariechenanfänge jedoch weniger glanzvoll. Als ich als 17-jähriges Mädchen in eine Truppe voller fremder Jungs gesteckt wurde, hat sich meine Kühnheit endgültig verabschiedet: Ich war schüchtern ohne Ende. Doch meine – ja eigentlich doch ganz netten – Mitgardisten sollten nicht mein einziges Problem sein. Der Mariechenjob war schlicht zu viel Druck für mich und mein zartes Selbstbewusstsein. Schwierige Hebefiguren mit meinem Tanzmajor und hohe Würfe, bei denen ich die Orientierung verlor, waren Neuland für mich. Es war genau wie bei vielem anderen in meinem Leben: Ich bin mit ganzem Herzen dabei, aber je stärker die Leidenschaft, desto größer meine Versagensangst. Ich wollte mich am liebsten verkriechen und habe am Morgen eines Trainingstages schon die Stunden bis zu meinem persönlichen Untergang gezählt … Und ich wünschte, das wäre eine Übertreibung …

Aber kneifen war so oder so keine Option. Also habe ich die Zähne zusammengebissen und mit meinem Major, der mit seinen 10 Jahren Erfahrung und seiner absoluten Gelassenheit ein Geschenk vom Himmel persönlich war, hart trainiert.

Es wird nicht besser

Der nächste Schock kam dann kurz vor meiner ersten Karnevalssaison, als meine Trainer sich entschieden, uns erstmalig bei einem Tanzturnier antreten zu lassen. Oh Hilfe!

… Als wäre es nach dem klassischen Erzählmuster eines Hollywoodfilms geschrieben worden, war der letzte Tag vor meinem Turnierauftritt zugleich der Tiefpunkt. Es war, als wären alle möglichen Unglücksfälle zu einer absoluten Katastrophe zusammengesponnen worden: Ich hatte mir eine Knochenhautentzündung zugezogen, ich holte mir kurz vor knapp noch eine Zerrung, und zu allem Übel wollte einfach keine Hebefigur mehr funktionieren!

Für den schlimmsten Niedergang aller Zeiten am Turniertag waren sozusagen alle Vorbereitungen getroffen. Als dann die Glocke von unserem Einmarschlied, „Thunderstruck“ von AC/DC, ertönte, fühlte es sich so an, als hätte unser letztes Stündlein geschlagen. Ich musste also ins kalte Wasser springen – oder reingeworfen werden … Wortwörtlich! Auf der Bühne haben wir Tänzer uns dann noch einmal grinsend zugezwinkert – eine Tradition, die wir seitdem immer weitergeführt haben. Und dann – haben wir einfach getanzt.

Wenn die Generalprobe schief geht

Und was soll ich sagen? Lasst es mich mit einem Spruch erklären: Wenn die Generalprobe schief geht … Dann muss der Auftritt gut werden! Und er war nicht nur gut, er war wir-haben-das-Ding-gewonnen-gut! … „Und der Sieger des Tanzturniers 2017 ist … die Prinzengarde Neu-Listernohl !!!“. Wir konnten unser Glück kaum fassen. Wir sind auf die Bühne gestürmt, haben uns wild umarmt und gesungen … Es war Ekstase pur!

In dieser Nacht habe ich gewusst, dass wir schon längst keine Fremden mehr waren. Bei unserem Tanz müssen alle zusammen halten. Denn bei einem Wurf oder einer Hebung bist du nur so gut wie das schlechteste Glied. Und genau das macht unseren Karneval aus: Wir zittern gemeinsam vor den Auftritten, wir schwitzen gemeinsam auf der Bühne, wir feiern gemeinsam, wir machen zusammen die Nacht zum Tag. Wir frühstücken morgens gemeinsam mit tiefsten Augenringen in unserem Hauptquartier, und beginnen dann das gleiche Spiel von vorn, immer und immer wieder. Dieses Gemeinschaftsgefühl ist es, was ich liebe. Dieses gemeinsam Fühlen und gemeinsam Erleben …

Emotionen auf Zelluloid

Doch es gibt etwas, was ich noch mehr liebe, als diese intensiven Emotionen zu spüren: sie in Anderen zu wecken. Das hat mir die Turniernacht ebenso klargemacht: Es war unser ganz persönlicher „Magic Moment“, als jemand nach unserem Auftritt zu uns kam und meinte, dass der Tanz so schön gewesen sei, dass sie weinen musste.

Ja, genau das ist es, was ich will: Ich will Menschen bewegen. Diese Motivation hat mich zum Film geführt. Ich möchte Geschichten erzählen, die berühren, und die prägen, wer wir sind.

Und deshalb bin ich hier, bei GRAFF.FF. Und ich hoffe, dass ich das, was ich gemeinsam mit meiner Truppe an Karneval geschafft habe, auch hier, gemeinsam mit meinen Kollegen in der Fimproduktion erreichen kann: etwas erschaffen, was uns Menschen fühlen und erleben lässt.

Das findet Norleon jetzt starken Tobak. Zumal sich meist nur selten vorhersagen lässt, ob und wann einen etwas wirklich umhaut. Aber natürlich ist das auch für die Filmproduktion das Ziel und alle arbeiten daran mit. Aber ob es dann tatsächlich auch passiert? Drückt mir die Daumen, dass ich es dann auch wirklich realisiere. Zu schade, wenn ich diesen Moment beim Film verpasse.

P.S. Wenn ihr nach meiner dramatischen Erzählung von meinem Auftritt Lust auf etwas mehr Karnevalsjeföhle habt, dann schaut einfach mal bei diesem Video vorbei: Karnevalsparty bei Procar. Und allen, die auch ein ähnlich actionreiches Hobby haben, wünschen wir mit diesem Video Hals- und Beinbruch.

Und passend zu meiner Erzählung haben wir noch zwei weitere Filme des Monats im Gepäck. In Höhenflug spielt sich alles in ebenso hohen Lüften ab. Und auch das folgende Video greift die Wendung auf, die auch meine Geschichte genommen hat: Ende gut, alles gut.