07 Mai Bienenstiche und Leonardo DiCaprio

Sollte ich meinen Dickkopf damit durchkommen lassen? Ist dieser Riesenaufwand das Ergebnis überhaupt wert? Das ist die Frage, die man sich auch beim Film oft stellt, wie ich mittlerweile gelernt hab. Man dreht eine Szene in vielen verschiedenen Einstellungen, die Kameraperspektive wird immer wieder geändert und neu überdacht – und am Ende schafft es die ganze Szene noch nicht einmal in den fertigen Film.

Das ist doch crazy!! Welcher Lappen würde das im echten Leben auf sich nehmen?

Ganz klar: Der, der (wie die Filmemacher) von Leidenschaft getrieben ist.

Ich möchte euch die Geschichte von Marlenes Geburtstag erzählen (meine kleine Schwester), vom 4. August 2020.
Ausgangssituation: Marlene liebt Leonardo DiCaprio
Geschenkidee: ein lebensgroßer Pappaufsteller – also Leonardo mit einer Rose in der Hand vor die Tür stellen und klingeln! Überraschung! Eigentlich ganz einfach oder? Tja, in den Entstehungsprozess war dann doch ein so großes Abenteuer involviert, dass man denken könnte, jemand hätte es für ein Filmskript verfasst.

 

Pappaufsteller selbstgemacht

Geburtstagsgeschenke sind immer dann am schönsten, wenn es sie kein zweites Mal gibt. Und von Leo existiert noch nicht einmal ein gutes Foto in ausreichend hoher Auflösung für ein mannsgroßes Plakat, wie ich direkt zu Anfang der Geschenkbearbeitung feststelle. Also muss ich per Photoshop eins kreieren. Nach 5 Stunden habe ich endlich seinen Kopf mit irgeneinem random Anzugtyp fusioniert, und es ist sogar noch ein Geschäft offen, das mein Poster direkt ausdrucken kann. Allerdings nur noch eine Stunde lang. Das reicht gerade so zum Drucken, aber nicht mehr zum Trocknen. Folge-Event: Ich muss als ausgerolltes Leonardo-Poster durch die Stadt nach Hause laufen.

Allein diese Aktion wäre an sich schon genug des Aufwands gewesen – aber nicht mit Charlie. Das Ausschneiden des Posters und einer dicken Pappe als Hintergrund ist dabei noch das geringste Problem. Auch die Rose für Leos Hand zu kaufen ist theoretisch gesehen nicht wahnsinnig aufwändig – der Haken, meine lieben Freunde, ist allerdings, dass ich dafür noch einmal meine Wohnung verlassen muss. Und was lernt man als frisch Ausgezogene (oft schmerzlich) als allererstes? Schlüssel mitnehmen. Dazu gleich mehr …

 

Wer zu spät kommt, sollte Überredungskunst besitzen

Die Rose ist dann doch nicht so einfach zu besorgen, auch wenn ich mittlerweile Unterstützung von meiner Freundin Greta und ihrem Auto „Carlos“ bekommen hab. Das erste Geschäft ist zu, obwohl Google was anderes behauptet. Manno! Den zweiten Blumenladen verpassen wir um Sekunden. Beim dritten Laden sneake ich mich gerade noch durch eine sich schließende Ladentür hindurch und flehe unter Keuchen (nach einem Dauerlauf durch Karstadt), dass meine Schwester doch keinen Leonardo DiCaprio mit Plastikblume in der Hand geschenkt bekommen kann! Zumal wir jetzt schon zu spät zur Party kommen werden. Ich bekomme den letzten Rosenstrauß (die einzelnen Großen waren schon alle). Greta und ich hetzen zu mir nach Hause zurück, um !kurz DiCaprisonne und sein Pappgestell abzuholen.

Und in diesem Moment hätte ich eigentlich schon innehalten und mich fragen müssen, ist es dir das alles eigentlich wert? Aber egal wie die Antwort ausgefallen wäre (Ja, ich liebe meine kleine Schwester; Nein, es ist zu unvernünftig), es wäre sowieso aufs Gleiche hinausgelaufen. Ich wollte dieses Geschenk unbedingt so perfekt machen, wie es den Filmemachern manchmal unter den Fingern brennt, voller Leidenschaft eine Filmidee umzusetzen.

 

Klettern hoch zwei

Zuhause wartet also schon das nächste Hindernis auf mich. Kennt ihr dieses siedend heiße Gefühl, wenn einem etwas Schlimmes einfällt? Genau dieses Gefühl übermannt mich jetzt, als mir klar wird, dass mein Wohnungsschlüssel DRINNEN liegt. Marvin (Mein WG-Mitbewohner) ist im Urlaub. Der Nachbar mit Ersatzschlüssel natürlich auch. Als die ganze Hoffnung verloren scheint, entdecken wir die offene Balkontür. Yes! Ein offener Balkon in 3m Höhe, darunter eine Betonwand mit ausschließlich einer einzigen Regenrinne. Ach, denke ich mir, eine Zirkuskünstlerin mit einer ordentlichen Portion Dickkopf kriegt das schon hin.

Ich klettere auf einen Busch und erreiche von dort aus knapp die Regenrinne. Sie kracht und ruckelt. Keine Chance. Auch ein Stuhl, den ich auf den Gartentisch des Nachbarn stelle, ist immer noch nicht hoch genug. Ich klingele das ganze Haus raus. Ich mein, die Sache war todernst, ein Leonardo-DiCaprio-Partyerfolg war in Gefahr! Am Ende stehen 3 Nachbarinnen vorm Balkon und feuern mich dabei an, wie ich auf Gretas Schultern akrobatisiere (die wiederum auf einer Leiter von einer der Nachbarinnen steht) und bei mir selbst einbreche.

 

Wieviel vollständige Personen passen in ein Auto?

Jetzt geht alles ganz schnell. Leo raus (in 2 Teilen, merkt euch das), Sprühkleber raus, alles rein ins Auto – Leo passt nicht ins Auto. Gretas Vorschlag: den Kopf des mühselig zugeschnittenen Pappgestells abschneiden … Charlies Dickkopf akzeptiert das nicht. Ich drücke und zerre (vorsichtig) bis Leo drinnen ist. Danach passe ich zwar nur noch rein, wenn ich körperlich ein vakuumverpacktes Ravioli imitiere, aber Greta kann losfahren.

 Unterwegs noch eben schnell Vivi abholen (Freundin meiner Schwester), die bei meinem leicht verrückt-hysterisch-aufgedrehten Gesichtsausdruck gar nicht mehr nachfragt, warum wir eine Dreiviertelstunde zu spät sind. Stattdessen arbeitet sie widerspruchslos mit an der Lösung, wie sie sich als zweites Ravioli mit ins Auto quetschen kann.

 

Fast ist es geschafft

Das Haus meiner Eltern, endlich. Parken, Sachen raus, ich stehe Schmiere während Greta und Vivi den zweiteiligen Leo in die untere Nachbarswohnung schmuggeln. Teil 1 (Pappgestell) und Teil 2 (Poster) sollen hier auf dem Balkon mit Sprühkleber vereint werden. Was ich, Vivi und Greta nicht wissen: weder Leo, und noch weniger der Sprühkleber sind auf dem Balkon erwünscht! Auf ungefähr der Hälfte des Klebeprozesses taucht erst eine, dann drei und dann fünf Bienen auf, die ihr kürzlich angelegtes Nest verteidigen wollen.

Well, shit. Vivi kommt mit einem Stich davon, ich kriege noch einen halben mehr ab, bevor wir uns ins Treppenaus retten können. Schnell wird Leo fertig geklebt und sich ins Treppenhaus gerettet. Dann gehen Greta und ich schon mal nach oben vor und sagen Marlene und ihren Gästen hallo. Es klingelt an der Tür. Marlene macht auf. Draußen steht Leonardo DiCaprio mit einer Rose in der täuschend echten Hand … Er sagt „Hallo Süße“ und die Hand bewegt sich. Vivi kommt hinter ihm hervor und wird stürmisch von Marlene umarmt. Überraschung gelungen!

 

Ende gut, alles gut?

Leo wird geknutscht und in die Wohnung getragen, die Bienen aus der Nachbarswohnung vertrieben und alles scheint perfekt. … alles? Ja was wäre denn ein ereignisreicher Geburtstag ohne einen Höhepunkt? Mein Bienenstich schwellt plötzlich an. Meine Ohren werden rot und heiß. Nesselsuchtpusteln tauchen überall auf meinem Körper auf und lassen mich farblich und förmlich wie einen gekochten, aufgedunsenen Krebs erscheinen.

Fahrt zur Notfallapotheke, Fahrt ins Krankenhaus. Cortisonspritze und dann für 2 Stunden an den Tropf, danach warten auf den Entlassungsbrief und um 3:10 Uhr nachts mit letzter Kraft ins Taxi steigen.

 

Eine Szene fehlt

Jo, das war jetzt die ganze, überverrückte Story von Leo und der Rose und dem Selbsteinbruch und den Bienen. Fast! Eine Szene fehlt eigentlich noch – die mit dem Kletterpark. Da sind wir mit der Family morgens nämlich auch noch gewesen. Und wie ich mich da am Arm verletzt habe und deswegen die Desinfektion der Bienen-Cortisonspritze noch mehr wehgetan hat, wäre das eigentlich noch ein weiteres Unglück in der Story. Aber Norleon, Filmproduzent und Chef von GRAFF.FF, hat die Szene einfach gestrichen. Das war ihm nun wirklich zu viel des Guten. Und vielleicht hat er Recht. Vielleicht ist im Film doch nicht alles so übertrieben wie man denkt. Im Gegenteil, teilweise ist das Leben viel übertriebener. Aber das Schöne ist dabei ist, der Aufwand wird eigentlich immer schnell vergessen und das Ergebnis bleibt! Und das ist natürlich beim Film genauso …

 

Filme des Monats

Passend zu meinem Artikel gibt es auch zwei Filme des Monats. Eine Million und mehr war nicht nur eine erfolgreiches Spendensammelprojekt – es gab auch jede Menge stechwütiger Wespen, die unser Filmteam überfallen hatten. Insgesamt fast zwanzig Stiche haben wir abbekommen. Die Bienen in Summ,summ,summ waren dagegen viel friedlicher.

 

Umfrage

… und von unserer Ex-Praktikantin Kristin hier noch eine kleine Umfrage für euch:

https://forms.gle/oNASgiACoWU19GiBA