15 Sep Das betrifft uns: Gedanken zum NSU Prozess

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Wir machen Filme – in der Kölner City

Diese Woche geht der NSU Prozess zu Ende. Ein Prozess, der notwendig und wichtig war – auch wenn es viele Stimmen gibt, die sagen, dass er nicht gründlich und nicht ehrlich ist. Dazu gehören wir auch. Man muss nur Zeitung lesen und gezielt fernsehen – wer die Augen nicht davor verschliesst, der wird erkennen, dass noch lange kein Licht in das Dunkel gebracht wurde. Die wahre Geschichte des NSU werden wir vielleicht nie erfahren – und deshalb wird es auch noch lange keinen Frieden mit dem Geschehenen geben.

Eine kleine Geschichte vom Terror in Köln

Wenn wir in der Filmproduktion früher mal eine Kleinigkeit brauchten, sowas wie einen Liter Milch und eine Packung Eier, dann gingen wir zu dem nächstgelegenen Markt in unserem Veedel. Das war bis 2001 der kleine Tante-Emma-Laden in der Probsteigasse. Der Laden war so „Tante-Emma“, wie es viele kleine Geschäfte von Migranten sind. Das Geschäft in der Probsteigasse wurde von einer iranischen Familie geführt. Unsere damaligen Mitarbeiter gingen gern dort hin – einmal quer durch den Park, schon waren wir da. Nachdem am 19. Januar 2001 dort eine Bombe explodierte und Mashia, die 19 jährige Tochter der Inhaber schwer verletzt wurde, wurde das Geschäft für immer geschlossen.

Köln in Angst

In den Jahren zuvor waren immer wieder feige, kleine Anschläge gegen Migranten ausgeübt worden. Es lässt sich nicht viel darüber im Netz finden. Aber in den 90er Jahren wurde in Köln eine beängstigende Anschlagsreihe ausgeübt: In Vierteln mit hohem Ausländeranteil wurden präparierte Elektrogeräte deponiert, die in den Händen ihrer Finder explodierten. Die Kölner fürchteten sich nach einiger Zeit deshalb geradezu vor Schrott. Köln lebte in Angst. Diese Anschlagsserie wurde, nachdem sie als Anschlagsserie identifiziert wurde, nie aufgeklärt. Genauso wenig wie der Anschlag in der Probsteigasse und andere Taten rund um die NSU-Gruppe. Nur so viel ist klar: Wir wissen wenig. Und noch etwas ist klar: Es gibt da draußen schlechte Menschen, die das Leben anderer aufs Spiel setzen. Oder sogar mutwillig beenden, um ihren eigenen Ideologien zu folgen.

Bildung, Zusammenhalt und Ehrlichkeit: eine Kampfansage gegen den Hass

Wir beobachten nun schon eine Weile, wie sich der Ton immer mehr anraut, wie Menschen zum Beispiel online ihre Maske ablegen und ihren Hass versprühen. Mit derselben Energie, als würden sie Sprengfallen über die Stadt verteilen. Wir erleben, wie uns aus den Medien und der Politik entgegenschlägt, was wohl der Geist der Zeit ist: Wir leben in einer Zeit, in der der Hass offen ausgelebt wird. Natürlich wollen wir keinem das Wort verbieten, aber zu Recht wollen wir fragen: Wo ist die Empathie? Wir erleben die, die am lautesten krakeelen, meistens als die am wenigsten gebildeten. Fehlt uns deshalb Bildung? Ja! Fehlt uns der soziale Zusammenhalt? Ja!

Das kann man reparieren, auch wenn es lange dauert. In einer Stadt wie Köln, die so weltoffen ist, wie sie immer behauptet, ist das möglich und an jedem anderen Ort der Welt auch. Was man nicht reparieren kann, ist das Vertrauen in Behörden wie den Verfassungsschutz und ähnliche Institutionen – bis sie die Karten endlich auf den Tisch legen.

Die Lücke, die unser Veedelsmarkt hinterlässt, wurde nicht geschlossen und nicht repariert. Mashia ist Nebenklägerin im NSU-Prozess und wir können nur ahnen, wie bitter der Prozess für sie gewesen sein muss. Wie bitter auch für uns der Ausgang, dass man nicht mehr weiß als zuvor. Es gibt in dem Fall keine Gerechtigkeit. Aber genau da müssen wir hingucken. Machen wir uns nichts vor! Und lasst uns zusammenhalten. Es gibt dem Terror und dem Hass nichts weiter entgegen zu setzen, als die reine Menschlichkeit.

Filme der Woche

Unsere Filme der Woche wollen offen und ehrlich sein. Wie unnötig manche Konflikte sind, zeigt unser FilmAufm Schlauch“ – Dinge nicht auszusprechen, kann zu derart absurden Missverständnissen führen, da sagt man besser Klartext, worum es geht. In unserem Film über die Seminare der Friedrich-Ebert-Stiftung sehen wir Ludger, der bei uns in der Adolf-Fischer-Str. auch eine Lücke hinterließ. Er war vollblütiger Sozialdemokrat und ein großer Verfechter politischer Bildung. Und Bildung ist ein Ausweg! Aber es gibt noch mehr Möglichkeiten: Kunst kann ein Weg sein, denn auch Kunst öffnet Horizonte! Karla Schlaepfer-Karst hat mit ihrem Art Talks 4 Change ein Konzept entwickelt, in dem Menschen über die ausiovisuelle Wahrnehmung zu Problemlösungen und neuen Ideen zu kommen.

Ein Rezept, das nicht nur für Unternehmen, sondern für ganze Gesellschaften funktionieren kann. Es lebe die Kunst – in unseren Kommunen und in unseren Köpfen! Direkt aus unserer Kommune und von einem Kind des Veedels produziert, die Kinowerbung von Arsch Huh! von Alina Graff. Auch bei diesem Film muss man das Fazit ziehen, dass Klartext reden wirklich hilfreich ist und es keine gute Idee ist, alle über einen Kamm zu scheren.

 

Dieser Blogbeitrag war so unüblich ernst, dass wir, falls ihr das braucht, hier zu einem lustigen Beitrag umleiten, damit ihr uns in bester Laune wieder verlassen könnt.