02 Jun Leichte Sprache, schwere Sprache

Mein Mitbewohner ist Syrer. Seit wir uns kennen, sagt er „Sisi“ zu mir. Ich sage daher „Franz“ zu ihm. Das ist einfach. Das finden wir beide lustig. Wobei wir jeweils wahrscheinlich nicht wissen, wieso das lustig ist. Trotzdem wir uns u.U. nicht verstehen, verstehen wir uns gut. Das liegt aber auch einfach daran, dass wir jedes Mal neu versuchen, uns gut zu verstehen, auch wenn wir unterschiedlich sind.

Deutsche Sprache, schwere Sprache

Fremde Sprachen sind immer kompliziert zu lernen. Deutsch ist genau genommen nicht schwerer zu lernen als norwegisch oder russisch. Und kompliziert kann ja auch gut sein: In der finnischen Sprache zum Beispiel gibt es beeindruckend lange Wörter, weil es eine Sprache ist, bei der die Wörter aneinander gereiht werden. Finnisch klingt niedlich und exotisch. Es ist eine sehr lustige Sprache! Die finnischen Kinder, das weiß man, sind im europäischen Durchschnitt alle sehr gut in der Schule. Im Deutschen gibt es auch sehr lange Wörter, das ist also nicht das Kriterium. Die deutsche Sprache ist wahrscheinlich „normal schwierig“.

Trotzdem: Nicht nur syrische oder sonstige Einwanderer finden deutsch schwer – vielen Deutschen geht es genauso. Daher wurde die „Leichte Sprache“ oder „einfache Sprache“ erfunden, die für erwachsene Menschen gedacht ist, deren Muttersprache nicht Deutsch ist oder die aus anderen Gründen nicht in der Lage sind, Texte in normalem Deutsch oder gar „Amtsdeutsch“ zu lesen und auch zu verstehen.

Donaudampfschiffkapitänsmütze

  das wäre so ein Wort, das in der leichten Sprache nicht erlaubt ist. Denn die leichte Sprache hat eigene Regeln. Wir müssen die genannte Kopfbedeckung wie folgt nennen:

Donau-Dampf-Schiff-Kapitäns-Mütze.

Oder: Mütze vom Kapitän.

Je einfacher, je besser.

Im Notfall kann man auch eine Information weglassen.

Das wäre in dem Fall die Donau und ein Dampfschiff.

Damit lässt sich weit weniger erzählen.

Dem Kapitän bleibt nur die Mütze.

Jeder Satz bekommt übrigens eine eigene Zeile.

Lange Wörter, die sich aus mehreren Wörtern zusammen-setzen, werden getrennt.

Höchstens ein Komma pro Satz, außer bei Aufzählungen.

KEINE KAPITÄLCHEN UND ANDERE MEDIALE STILMITTEL.

Das ist also „Leichte Sprache“.

Ich sage euch, das ist auf die Dauer sehr anstrengend.

Außerdem läuft der Text irgendwie blöd.

Ich bevorzuge Block-Satz.

Das sieht einfach besser aus.

Die Frage, warum ich etwas in leichter Sprache schreiben will, ist berechtigt.

Ich sage es euch:

Leichte Sprache ist eine Möglichkeit, Barriere-Freiheit zu schaffen.

Das können mehr Menschen verstehen.

Leichte Sprache soll mehr Anwendung in Wirtschaft und Kultur finden.

Wäre es nicht super, wenn auch so verkopfte Leute wie ich, die keinen Satz hinkriegen, der nicht mindestens aus 30 Wörtern besteht und zwei oder mehr Kommata hat – wenn solche Leute auch in der Lage wären, sich kurz und knapp auszudrücken und dabei alle notwendigen Inhalte zu transportieren und ein schönes Schreibgefühl zu haben?

Ich halte dieses Unterfangen für schwierig. Aber nicht unmöglich!

Ich hatte mir ein schönes Thema ausgesucht, in leichter Sprache zu beschreiben. Ich wollte über die Filmsprache schreiben. Also die Tatsache, dass Film selbst eine Möglichkeit ist, etwas zu sagen – und damit eine eigene Sprache ist. Dafür habe ich jedoch wegen des merkwürdig laufenden Textes in leichter Sprache keinen Platz mehr – ich sage einfach nächste Woche was dazu.

Es ist Pfingsten 2017. Der Präsident der größten Volkswirtschaft hat gerade das Klimaschutzabkommen gekündigt, darüber reden heute alle. Und das zu Recht, denn das war eine populistische und dumme Entscheidung. Gleichzeitig setzen sich mehrere Hunderttausend Menschen in Autos und reihen sich auf der A3 ein, um ein Urlaubsziel zu erreichen – z.B. mit ihrem Dieselfahrzeug. Den Menschen klarzumachen, worum es geht, auch denen, die nichts verstehen können oder wollen – das ist einen Versuch wert und wenn wir dafür eine leichtere Sprache brauchen, dann müssen die „Verkopften“ die eben üben. Make the planet great again!

In den Filmen der Woche muss nicht viel gesagt werden: Wir lassen Hühner sprechen. Es gibt eine schöne Dusche von oben, wahlweise kühle Füsse und Ferien in der Natur, der wunderbaren und schützenswerten Natur. Schaut mal in unseren Neuerscheinungen, wie schön man mit Hilfe und Musik deutsch lernt – und macht was Schönes, auch wenn es sich über euch ausgiesst. In dem Sinne: FF – Frohe pFingsten!