08 Apr Gesundheit

Gesundheit / Telekom BasketsVom 7. bis 10. April findet in Köln die jährliche Fitness- und Gesundheitsmesse FIBO statt. Scharen von Muskelbullen und Cardiobunnies strömen auf das Messegelände Kölns, entdecken die neuesten Fitnessgeräte und grasen verschiedenste Proteinshake-Stände ab. Das Spektakel gibt es nun schon seit 1985 und es ist sobald kein Ende in Sicht, denn das Thema Gesundheit boomt wie nie zuvor. Gefühlt jede Woche gibt es einen neuen Fitness- und Ernährungstrend. Immer mehr Leute sehen sich befähigt, anderen ihre Weisheiten zum Thema Gesundheit zu unterbreiten. Immer mehr „qualifizierte Meinungen“ konkurrieren miteinander und verbreiten gefährliches Halbwissen. Das eindeutige Interesse an Gesundheit und der richtigen Lebensweise ist riesig und wird in großem Maße wirtschaftlich genutzt.

Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit

Doch dass wir um unsere Gesundheit besorgt sind und bereitwillig Geld und Zeit in unsere Gesundheit investieren, ist nichts neues. Jedoch scheint sich das, was wir unter Gesundheit verstehen zu wandeln. Die Word Health Organisation (WHO) definiert dieses Konzept als den „Zustand des vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens“. Zumindest in den Erste Welt Ländern ist es aber viel mehr als das: Für viele wird Gesundheit und vor allem der Teilbereich Fitness zu einem Teil unserer Identität. Veranstaltungen wie die FIBO machen dies deutlich. Es geht nicht lediglich darum bei guter Gesundheit zu sein, sondern darum die beste Version seiner selbst zu werden – durch Fitness und Ernährung. Damit ist Gesundheit nicht nur Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit, sondern gleichermaßen Luxusgut und Statussymbol.

Fit ist das neue Superdünn

Diese Art von Gesundheit verschiebt Werte. Jetzt heißt es nicht mehr Size Zero tragen, sondern fit sein. Im ersten Augenblick mag das wie eine Verbesserung scheinen, ist es aber in den meisten Fällen nicht. Das zwanghafte an sich Arbeiten, als wäre man ein Block Marmor, der nur in die richtige Form gemeißelt werden müsste, ist weder gesünder, noch betrifft es weniger Leute, als der Magerwahn der letzten Jahrzehnte. „Fit“, das bedeutet für viele ein genau ausgeklügelter Trainingsplan, der eisern durchgezogen wird – egal wieviel Zeit Job, Hobbies und Soziales daneben einnehmen. Ausreden gibt es keine, denn viele Fitnessstudios sind rund um die Uhr geöffnet und Trainingsvideos online verfügbar (manche Videoanbieter schicken einem sogar erhobener-Zeigefinger-Emails, wenn man sein geplantes Workout verpasst hat). Blieben Männer vom Magerwahn der Frauen weitestgehend verschont, trifft der Fitnesswahn sie nun mit doppelter Härte. Unter qualen werden Beine beim gefürchteten Leg-Day trainiert, die Ernährung verändert man alle paar Wochen drastisch, je nachdem ob man Masse aufbaufen, definierter aussehen, oder sein Gewicht halten will. Viele schrecken vor Zusätzen und Mittelchen zum Muskelaufbau nicht zurück und nehmen dafür Peitschenhieb-ähnliche Dehnungsstreifen und völlige Ausgelaugtheit auf sich.

Mit aller Macht fit sein zu wollen und dem Erste Welt „Gesund“ zu entsprechen, ist nicht gesund, sondern ein Wahn, der genau wie Orthorexia nervosa dem Körper mehr schadet, als hilft. Ich will damit nicht sagen Sport sei ungesund, oder der Wunsch etwas muskulöser zu sein belanglos. Genauso wenig will ich behaupten jeder FIBO-Interessierte hätte nur Proteinpulver im Kopf. Wie so oft gilt es das richtige Maß, sowie den richtigen Blickwinkel zu finden. Ein Waschbrettbauch oder besonders straffe Arme werden uns im Leben nicht weit bringen (es sei denn wir sind Models, Personal Trainer, oder Schiffbrüchige, die bis zur nächsten Insel schwimmen müssen). Gesundheit in ihrer herkömmlichen Definition jedoch schon. Körperliche, seelische und soziale Gesundheit sind die Basis, von der aus wir wachsen können. Es ist also mehr als ratsam, sich um seine Gesundheit zu kümmern. Aber eben nicht in einem Maße, das uns hinten herum wieder schwächt und erst recht nicht aus dem Grund, einem in den (Sozialen) Medien etablierten Körperideal zu entsprechen. Und wer sich bis jetzt nicht viel um seine Gesundheit geschert hat, der kann sich ja auf der FIBO inspirieren lassen (oder verstört Reißaus nehmen).