26 Feb Mehr Zeit im Schaltjahr

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Mehr Zeit im Schaltjahr?

Die Zeit vergeht, manchmal so schnell, dass wir uns wünschen, eine Minute bestünde nicht nur aus sechzig lächerlichen Sekunden, der Tag hätte nicht nur vierundzwanzig Stunden, unsere Filme zum Thema nicht nur eine Woche, der Sommer wäre länger als drei Monate, und das Jahr hätte mehr als 365 Tage. Ist das wohl der Grund, warum es alle vier Jahre ein Schaltjahr gibt und wir im Februar einen Tag mehr bekommen? Das wäre (zumindest dieses Jahr) ein ziemlich schlechter Kompromiss, denn der zusätzliche Tag fällt auf einen Montag. Wer will denn bitte einen zusätzlichen Montag? Das ist ja so, als würde man Sahnetorte bestellen und stattdessen fettarmen Joghurt bekommen.

Warum eigentlich ein Schaltjahr?

Nein, so kam das natürlich nicht mit dem zusätzlichen Tag. Der Sinn des Schaltjahres ist es, unser Kalenderjahr dem Sonnenjahr anzugleichen. Die Erde braucht nämlich nicht genau 365 Tage, um einmal um die Sonne zu reisen, sondern ein paar Stunden länger. Würden wir nie einen zusätzlichen Tag in unser Kalenderjahr einfügen, dann hätten wir hier oben auf der Nordhalbkugel irgendwann Schnee im Juni und Strandwetter im Dezember. Also schieben wir immer mal wieder einen weiteren Tag in unseren Kalender, um alles wieder ins Lot zu bringen.

Und was machen wir jetzt mit diesem Tag? Den Kleiderschrank ausmisten, die Oma besuchen, aufwendig für Freunde kochen, mal wieder ein Buch in die Hand nehmen, endlich die nächste Etappe vom Eifelsteig wandern, den liegen gebliebenen Papierkram erledigen, die Steuererklärung machen? So viele Möglichkeiten, diese zusätzlichen vierundzwanzig Stunden gut zu nutzen. Doch eigentlich ist das Quatsch, denn wir haben keineswegs plötzlich mehr Zeit (und das nicht nur deshalb, weil der zusätzliche Tag ausgerechnet ein Montag ist). Nur weil im Kalender plötzlich ein Tag mehr aufgelistet ist, hat sich unser Leben nicht auf magische Weise verlängert.

Ein Geschenk und ein Dilemma gleichermaßen

Die Zeit, die wir auf dieser Erde haben, ist genau die gleiche geblieben. Es scheint also mehrere Arten von Zeit zu geben. Die Zeit, die unaufhaltsam vergeht, während die Planeten kreisen, Bäume wachsen, Jahreszeiten kommen und gehen und unsere Haut immer tiefere Falten schlägt; und dann gibt es die Zeit, innerhalb der wir unseren Alltag organisieren – Arbeitszeiten, Feiertage, Öffnungszeiten und so weiter. Einer unserer vielen täglichen Balanceakte ist es, diese verschiedenen Konzepte von Zeit mit einander zu vereinen. Wir wollen dabei sein, wenn unsere Kinder aufwachsen, reisen, solange wir noch jung sind und unseren Hobbies und Interessen nachgehen, während wir um acht Uhr bei der Arbeit sein müssen und danach stundenlang am Bahnhof festsitzen, weil die Züge nicht nach Fahrplan fahren.

Zeit ist also nicht nur ein Geschenk, sondern auch ein Dilemma. Aber wir brauchen keine extra Stunden oder extra Tage, um dem Dilemma zu entkommen und sich über das Geschenk zu freuen. Wir müssen lernen, uns Zeit zu nehmen. Das ist leichter gesagt als getan, denn in einer Gesellschaft, in der Zeit und Zeitnutzung vereinheitlicht sind, kann man nicht plötzlich sein eigenes Ding machen. Nicht umsonst boomen Fortbildungen und Kurse zum Thema Zeitmanagement und Selbstverwirklichung. Aber vielleicht hilft es ja schon, sich nach Feierabend dazu durchzuringen, wenigstens eine Stunde mit den Dingen zu verbringen, die einen bloß privat und nicht beruflich interessieren, anstatt sich vom Fernseher berieseln zu lassen; oder wenn wir uns fest vornehmen, am Wochenende den Städtetrip zu machen, den wir schon so lange machen wollten, aber nie die Zeit dafür finden; oder wenn wir mit der Familie, Freunden oder dem Partner einen festen Tag in der Woche vereinbaren, an dem man auf jeden Fall etwas zusammen unternimmt.

Ja, sich selbst zu noch mehr als dem Berufs- und Familienalltag zu verpflichten ist unbequem. Aber am Ende des Tages ist es doch die Zeit, die wir uns genommen haben und nicht die Zeit, die wir mit etwas verbringen mussten, an die wir uns am liebsten zurück erinnern, oder?