05 Feb Widerworte

zu zweit 04Widerworte

„Nein, damit bin ich nicht einverstanden!“ Wer diese Worte hört, ist zunächst einmal vor den Kopf gestoßen. Die Vorteile der eigenen Vorgehensweise liegen doch auf der Hand, die Argumentation schien lückenlos. Und trotzdem hat jemand eine andere Meinung? Widerworte, diese Woche unser Thema bei den Videopostkarten, verwirren uns, denn bis zu dem Punkt, an dem sie sich in unsere Wahrnehmung fressen, war alles so schön schlüssig und einfach. Doch damit ist plötzlich Schluss. Was kommt dann?

Im besten Fall folgt auf das Widerwort eine Antwort. Wir diskutieren. Das ist doch das schöne an Meinungsfreiheit, Demokratie und Co. Das alles bräuchten wir ja auch gar nicht, wenn wir alle immer derselben Meinung wären. Nur leider folgt auf eine Diskussion nicht immer eine Einigung. Belege dafür gibt es viele. Da wäre der Nahostkonflikt – den Begriff gibt es schon so lange, dass die Vorstellung es könne eine Lösung geben uns mehr schockt, als der andauernde Konflikt. Oder der Government Shutdown in den USA im Jahre 2013: Obama hält an seiner Gesundheitsreform fest, die Republikaner legen die öffentliche Verwaltung lahm. Oder denkt an Henry VIII, der sich weder mit seinen zahlreichen Frauen, noch mit dem Papst einig werden konnte.

Ach, überhaupt, die Briten. Die werden sich doch generell nicht so schnell mit dem Rest der Welt einig. Das fängt doch schon beim Frühstück an (Baked Beans on Toast?!), geht bei der Währung weiter (aber das Pound-Zeichen ist ja auch schick!), und gipfelt nun in einem Referendum über die EU-Mitgliedschaft. Und wer aufmerksam Radio gehört, Zeitung gelesen oder Nachrichten geguckt hat weiß: Auch mit der Zustimmung zur Genmanipulation an Embryonen zu Forschungszwecken haben einige Briten etwas gewagt, was viele andere nicht befürworten würden. Dürfen die das?

Gegen den Strom Schwimmen: Immer anstrengend, nicht immer falsch

Das kommt ganz drauf an, von welchem Standpunkt aus man argumentiert. Man könnte unzähligen Erbkrankheiten vorbeugen, sagen die einen. Das sei der erste Schritt zum Designer-Baby, sagen die anderen. Die einen rechtfertigen ihr Handeln utilitaristisch, die anderen deontologisch. Von welchem Standpunkt aus die zuständige Ethikkommission den Antrag der Forscher bewerten wird, ist noch offen.

Richtig und falsch sind keine absoluten Begriffe. Was wir darunter verstehen, hängt stark von unserer Prämisse und unserem Ziel ab. Wir glauben, dass Widerworte, Meinungsverschiedenheiten und Streit auch Gutes mit sich bringen. Widerworte halten uns dazu an, unsere Meinung und unser Handeln noch einmal zu überdenken. Meinungsverschiedenheiten können unsere Empathiefähigkeit steigern. Und Streit kann uns zeigen, wie wichtig ein bestimmtes Thema für uns ist und wofür wir uns mehr einsetzen sollten.

Also, wenn euch etwas nicht passt, dann sagt es. Auch wenn man dabei riskiert Zicke, Aufrührer, Besserwisser oder Spielverderber genannt zu werden. Denn genauso gut könnte man euch dafür als mutig, authentisch, aufgeweckt und emanzipiert bezeichnen.